Der Heilige des Monats:

"Allerheiligen"

Gedanken zur Heiligenverehrung

Wer ist "heilig"? Gemäß der Heiligen Schrift Gott allein: "Du allein bist heilig." (Offenbarung 15, 4). Die Aussage "Du bist der Quell aller Heiligkeit." ist uns aus der Hl. Messe vertraut und deutet darauf hin, dass sich diese Eigenschaft auch auf das von Gott Geschaffene übertragen kann. Das Neue Testament nennt mehrfach alle Christen "heilig", auch Orte und Sachen werden heilig, sofern sie in einer besonderen Verbindung zu Gott stehen. Das Volk Gottes bzw. die Kirche ist deshalb heilig, weil Christus es aus dem Zustand der Sünde befreit und in das richtige Verhältnis zu Gott gesetzt hat.

Damit ist die Gemeinschaft der Gläubigen zum mystischen Leib Christi geworden, der weder durch die Zeit noch durch den Raum begrenzt wird. Deshalb bekennen wir die "heilige katholische Kirche" und gleichzeitig die "Gemeinschaft der Heiligen" als wesentliche Elemente unseres Glaubens. In dieser Einheit stellen sich die im üblichen Sinne Heiligen, d.h. die nach kanonischem Recht heiliggesprochenen, in besonderer Weise dar: Sie gehören wie wir dem Volk Gottes an und sind andererseits durch ihre Vollendung Gott nahe. Hierin liegt die tiefere Begründung, weshalb wir sie anrufen und ihre Fürbitte erflehen dürfen: Als unsere Brüder und Schwestern im Leib Christi tragen sie auf ihre Weise Sorge für uns und die Kirche als einer unteilbaren Heilsgemeinschaft. Das Fest "Allerheiligen" ruft uns auch diesen Aspekt in Erinnerung.

Darüber hinaus dienen sie uns als Beispiele eines gelingenden gottgewollten Lebens: Sie sind keineswegs die von Geburt an Vollkommenen, sondern gelangen erst durch innere Kämpfe, Irrwege, Leid, Bedrängnis, Gebete in den Stand der Gnade. Sie verkörpern auf unterschiedlichste Weise und unter verschiedensten Umständen die Möglichkeit, als sündiger Mensch Gott nahe zu sein. Die häufig anzutreffende moralische Überhöhung ihrer Persönlichkeit ist meist unangemessen und verstellt den Blick auf die irdischen Realitäten. So verwundert es nicht, dass viele Heilige ihre Unvollkommenheit bekannt, an ihren Sünden gelitten und sich mitnichten als "heilig" betrachtet haben. Bei manchen verläuft die Erkenntnis genau umgekehrt: Je heiligmäßiger sie leben, desto klarer wird ihnen ihre Unvollkommenheit.

Diese irdische Gebundenheit der Heiligen erklärt zu einem Teil die überraschende Entwicklung der Heiligenverehrung einschließlich ihrer Übertreibungen und Irrwege: Je mehr die junge Kirche in der Auseinandersetzung mit Irrlehren die göttliche Natur Christi hervorhob, desto weiter rückte seine einzigartige Mittlerrolle zwischen Gott und den Menschen in den überhöhten Bereich des Himmels. An diese Stelle treten die Heiligen. Sie vermitteln als menschlich begreifbare und "geerdete" Wesen die irdischen Nöte, aber auch Freuden der Sünder an Gott, sie sprechen ihre Sprache. Auch finden sich die Gläubigen in den vielfältigen Lebensläufen und -situationen der Heiligen eher wieder als im Leben Jesu. Insofern helfen sie uns, das Leben unter dem Anspruch Gottes menschlich und lebensnah zu gestalten.

Kaum ein theologisches Feld ist - zumindest in der alltäglichen Praxis der Ökumene - so schwierig wie die Heiligenverehrung. Nicht wenige evangelische Christen hegen ein tiefes Misstrauen gegen die Heiligenverehrung in der katholischen Kirche, vor allem wenn sie den befremdlichen Rummel und Kitsch an manchen Wallfahrtsorten in den Blick nehmen.

Mitunter nährt sich daraus auch das Vorurteil, Katholiken müssten Heilige "anbeten". Recht schnell gelangt man an Gefühlssperren, z.B. bei der Frage, ob in einem ökumenisch genutzten Raum eine Marienstatue ihren Platz finden sollte.

Dabei sind die grundsätzlichen Aussagen zu den Heiligen zwischen beiden Kirchen gar nicht mehr so strittig, dass sie zu einem dauernden Dissens führen müssten. Natürlich haben Reformatoren, allen voran Martin Luther, die einzigartige Rolle Christi als Mittler zwischen Gott und Menschen hervorgehoben, gegenüber der die Heiligen keine eigene Mittlerschaft beanspruchen konnten. Doch unterstützte Luther auch nicht die Auswüchse des Bildersturms, dem im Gefolge der Reformation zahllose Kunstwerke, vor allem die Heiligendarstellungen, zum Opfer fielen und dessen Nachwirkungen noch heute in der auffälligen "Nüchternheit" der evangelischen Gotteshäuser zu spüren sind.

Auf katholischer Seite muss man sich auch daran erinnern, dass kein Dogma die Verehrung der Heiligen, etwa der Gottesmutter, zwingend vorschreibt. Natürlich wird stets hervorgehoben, dass ihre Anrufung erlaubt und heilsam sei. So gilt der gegenwärtige Papst nicht nur als eifriger Verehrer Mariens, sondern hat in mehreren Lehrschreiben die Bedeutung der Gottesmutter hervorgehoben. Auch hat die Tradition der Heiligen in unserer Kirche ein eigenes Gewicht und stellt einen ungeheuren Erfahrungsschatz dar. Gleichwohl ist es nicht undenkbar, ein guter Katholik zu sein, ohne jemals das Ave Maria gebetet zu haben - zumindest gilt dies theoretisch!

Gegenwärtig ist in der Ökumene die Tendenz spürbar, dass die Heiligenverehrung die Konfessionsgrenzen nicht mehr unterstreicht. Viele evangelische Christen haben keine Mühe, z.B. in Franz von Assisi oder Mutter Theresa Helden der Nächstenliebe zu erkennen, genauso wie Katholiken im Leben des evangelischen Theologen Dietrich Bonhoeffer "Heiliges" zu entdecken vermögen.

Zum Schluss sein noch eine Bemerkung in eigener Sache erlaubt. Im Redaktionsteam unserer Pfarrnachrichten besteht Einigkeit darüber, dass wir weiterhin "Heilige des Monats" vorstellen wollen, nicht um Seiten zu füllen, sondern um die vielen Wege eines christlichen Lebens in Erinnerung zu rufen. Wir würden von Ihnen gerne erfahren, ob dies bei Ihnen Anklang findet. Sprechen Sie uns bitte an oder schreiben Sie uns kurz. Wir würden uns über Ihre Rückmeldung freuen!

J. Schweier

 

 

  

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