Gottfried von Straßburg – "Tristan"

Wer kennt ihn nicht, den Mythos von Tristan und Isolde? Und wer weiß eigentlich wirklich, worum es geht? Ich jedenfalls hätte nicht viel mehr sagen können, als dass Tristan und Isolde, ähnlich wie Romeo und Julia, als unsterbliches Liebespaar gelten, bevor ich den Tristan-Roman Gottfrieds gelesen habe. Es gibt ja viele, mittelalterliche wie moderne, Fassungen, die diesen Stoff behandeln. Gottfrieds ist eine der bekannteren und stammt aus dem Anfang des 13. Jahrhunderts. Leider ist sie nur ein Fragment, ein Ende hat Gottfried nicht geschrieben.

Aufgrund dessen, dass die Geschichte so unglaublich komplex ist und sehr viele Zitate nötig wären, einen kleinen Leseeinblick zu schaffen, beschränke ich mich heute darauf, nur den Inhalt zusammenzufassen.

Die Hauptperson ist Tristan, der Sohn von Riwalin und Blanscheflur. Schon als Säugling wird Tristan (sein Vater wird hinterlistig in einer Schlacht getötet, seine Mutter stirbt vor Kummer um den Mann) Waise. Nur durch eine List des treuen Untergebenen Riwalins, Rual, kann er in dessen Familie aufgenommen werden. Rual lässt Tristan beste Erziehung und Bildung zuteil werden, ganz wie es einem Kind seines hohen Standes gebührt. Als Jugendlicher wird Tristan entführt und landet schließlich beim Hof seines Onkels Marke (der jedoch nichts von einem Neffen weiß) in Cornwall. Dort macht er sich durch vielfältige Talente und Begabungen beliebt und nützlich. Nach Jahren verzweifelter Suche findet ihn endlich sein Ziehvater Rual am Hofe des Onkels. Er verschweigt nicht länger die Wahrheit und Tristan erfährt, dass seine Eltern schon lange tot sind und er Besitzer großer Ländereien ist. Zunächst bleibt er jedoch bei Marke, der beglückt ist über die Verwandschaft und mit dem ihn inzwischen eine enge Freundschaft verbindet. Neider am Hof sehen Tristan nicht gerne als Alleinerben und Günstling Markes und drängen den König also schließlich dazu, sich zu verheiraten. Hier kommt durch viele Zufälle Isolde ins Spiel. Tristan hatte in einem Kampf den Onkel Isoldes getötet, wurde vorher jedoch tödlich von ihm verletzt und konnte nur durch Geschick unerkannt als Mörder des Bruders der Königin von Irland an den Hof zur gleichnamigen Isolde (der Mutter)gelangen. Nur sie konnte ihn nämlich heilen. Dort war man von dem Fremden entzückt und Tristan wurde Isoldens (der jüngeren) Lehrer. Nach einem Jahr, wieder mit einer List, entließ man ihn und er kehrte an Markes Hof zurück. Nun muss er erneut nach Irland, um stellvertretend für Marke um die Hand der jungen Isolde anzuhalten. Nachdem er als einziger unzähliger Freier einen Drachen getötet hat, der das Land schon lange in Angst und Schrecken versetzt hatte, kann er Isolde schließlich für Marke gewinnen. Dummerweise entdeckt diese kurz vor der Abreise zu Marke allerdings, dass er der Mörder ihres Onkels ist. Hier kommt die Kammerzofe Brangäne ins Spiel. Sie rät von Rache ab und auf Geheiß der alten Isolde, der weisen Königin, soll die Feindschaft mit der Eheschließung Markes und Isoldes begraben werden. Brangäne begleitet ihre Herrin nach Cornwall und bekommt von der alten Isolde einen Liebestrank, den sie dem Brautpaar zur Hochzeitsnacht bringen soll. So ist ihnen unsterbliche Liebe garantiert. Auf der Schiffsfahrt nach Cornwall trinken aber versehentlich Tristan und Isolde von dem Trank und verlieben sich ineinander. Trotz der Hochzeit mit Marke lässt das verliebte Paar keine Gelegenheit zu heimlichen Stelldicheins aus. Nach einiger Zeit kann diese Beziehung schlecht geheimgehalten werden, es kommt immer wieder zu Fallen Markes, Tristan und Isolde müssen ihre Liebe verheimlichen, sind dennoch dazu verdammt, sich auf ewig zu lieben. Am Hof gibt es ständige Konflikte, Eifersucht Markes, der zunächst nur einen Verdacht hat, welcher sich allerdings mehr und mehr verhärtet. Nachdem Marke die beiden in flagranti erwischt hat, muss Tristan den Hof und Isolde verlassen und kehrt in sein eigenes Reich zurück. Er vergeht an Kummer und Sehnsucht nach Isolde. In der Zeit seiner Abwesenheit tötet er den Mörder seines Vaters. Außerdem lernt er eine weitere Isolde (Isolde Weißhand) kennen, auf die er seine Sehnsucht nach Isolde projiziert.

Hier endet leider Gottfrieds Roman. Fortsetzer schreiben jedoch, dass Tristan Isolde Weißhand zwar heiratet, sie jedoch niemals anrührt, die Ehe also nicht vollzogen wird. Er wird eines Tages schwer verwundet und nur seine Isolde könnte ihn heilen. Er schickt nach ihr und bittet um das Zeichen, falls sie kommt und auf dem Schiff ist, ein weißes Segel zu hissen, falls nicht, ein schwarzes. Als das Schiff sich nähert und Tristan Isolde Weißhand fragt, welche Farbe das Segel hat, antwortet sie fälschlicherweise "schwarz". Vor Kummer und ohne jede Hoffnung stirbt Tristan, bevor Isolde ihn erreicht. Über diesen Verlust und mit dem Toten in den Armen stirbt auch Isolde. Als Marke von dem Zaubertrank erfährt, beteuert er, wenn er davon gewusst hätte, hätte er seinem Neffen den Vortritt gelassen. Er schließt Frieden und lässt die beiden nebeneinander begraben. Auf Tristans Grab lässt er eine Rebe, auf Isoldens eine Rose setzen. Diese beiden Pflanzen verwurzeln sich tief in den Herzen der Liebenden und aufgrund der anhaltenden Wirkung des Zaubertranks verflechten sie sich innig ineinander.

Die Geschichte ist sehr lang und sehr schön. Das, was ich gerade beschrieben habe, gehört nur zur ganz groben Handlung, denn diese ist eigentlich noch viel differenzierter und detaillierter. Meiner Meinung nach ist Gottfrieds Tristan ein Meisterwerk deutscher Literatur. Es ist ein intelligentes und sagenhaftes Spiel mit Sprache, ein märchenhafter Mythos, ein fabelhaftes Kunstwerk, das zur klassischen Bildung auf jeden Fall dazugehört! Ich kann es jedem, der Zeit und Muße hat, nur empfehlen!

Cosima Kießling

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