„Initialzündung“ im hohen Norden

Kerzen, die auf der Bergener Marienwallfahrt entzündet wurden, wandern nun durch die Gemeinden in Vorpommern, Brandenburg und Berlin. 
Das Diözesane Pastoralforum nimmt Gestalt an

Bergen - Den Segen des obersten Wetterverantwortlichen hatten die Wallfahrerinnen und Wallfahrer aus den Dekanaten Stralsund und Greifswald auf jeden Fall. Während über Süddeutschland schwere Schauer niedergingen, lachte in Bergen auf der Insel Rügen die Sonne. Zahlreiche Gläubige aus Vorpommern hatten sich in der evangelischen St. Marienkirche im Herzen der Stadt versammelt, um mit Weihbischof Wolfgang Weider und ihren Ortsgeistlichen die traditionelle Marienwallfahrt zu feiern. Die jährlich stattfindende Marienwallfahrt, so Pfarrer Harry Karcz aus Bergen, sei ein Höhepunkt im Leben der Katholiken Vorpommerns. Und in diesem Jahr kam noch ein weiterer Höhepunkt hinzu. Es gab die „Initialzündung“ für das Diözesane Pastoralforum. Diesmal ging sie nicht von der Metropole Berlin, sondern von Deutschlands größter Insel aus.
„Für die Kirche von Vorpommern ist es immer ein Zeichen der Hoffnung, wenn der Bischof in den Norden kommt“, freute sich Pfarrer Harry Karcz während seiner kurzen Begrüßungsansprache. Er erinnerte auch an den 50. Geburtstag des Demminer Pfarrers Clemens Pullwitt, den dieser genau am Wallfahrtssamstag, den 5. September 1998, feierte. 
Weihbischof Wolfgang Weider unterstrich in seiner Predigt, daß Maria das Zeichen der Hoffnung für die Kirche sei. Er verwies auf die Ursprünge der Bergener Marienwallfahrt. Gewachsen sei sie aus der Selliner Wallfahrt zu Maria, dem Meeresstern. „Maria ist ein Stern, der dort leuchtet, wo wir Menschen meinen, alle Lichter seien erloschen“, so der Weihbischof. „Sie möchte uns die Augen öffnen und uns sagen: Erkenne den Glanz Gottes in deiner Welt.“ Weider hielt der Wallfahrtsgemeinde vor Augen, daß die Gottesmutter „eine von uns“ ist. Aber „eine, der die Vollendung bereits geschenkt ist“. Der Weihbischof: „Maria blickt aus der Nähe auf uns. Und - wie ein Stern - von fern.“ Maria sei bis hinein in unsere Tage der Meeresstern, der Orientierung gebe für das Leben, „im dunklen Meer unseres Alltags“. Im heilsgeschichtlichen Plan Gottes sei sie die erste gewesen, die gesagt habe: Ich bin bereit. Weihbischof Wolfgang Weider empfahl den Gläubigen die Gottesmutter als leuchtendes Zeichen für ihr Leben und als Vorbild für den Alltag. Am Leben Marias werde erkennbar, so Weider weiter, daß Gott auch von den heutigen Menschen ein klares Nein zum Trend der Masse erwarte. „Er erwartet unser Nein zum Strom der Zeit“, unterstrich der Weihbischof. Der von Gott geforderte Weg sei für die Christen ein mitunter einsamer Weg. „Aber es ist der Weg, der zum Heil führt!“
„Salve, salve, salve Regina“ schallte es durch die ehrwürdigen Mauern der Marienkirche. Zahlreich waren die Gläubigen zum Gottesdienst angereist. Unter die älteren Wallfahrtsteilnehmer hatten sich auch junge Familien mit kleinen Kindern sowie zahlreiche Jugendliche gemischt. Eine Jugendgruppe aus Vorpommern hatte sich von Stralsund aus auf den Fußmarsch nach Bergen begeben. Etwa 30 Kilometer legten die Mädchen und Jungen per pedes zurück, um die Gottesmutter in Bergen zu verehren. Gerade die jüngeren Wallfahrerinnen und Wallfahrer dürften von der modernen technischen Ausstattung St. Mariens weniger Gebrauch gemacht haben. „Schwerhörige können hier über Induktions-Leitung hören. Bitte Hörgerät auf T stellen“, war auf mehreren gut lesbaren Tafeln innerhalb des Kirchenraumes zu lesen.
Als der feierliche Gottesdienst langsam zu Ende ging, begannen die Stralsunder Malteser mit dem Aufbau ihres Imbiß-Standes. Hier war im Anschluß an die Heilige Messe Gelegenheit, eine warme Mahlzeit einzunehmen. Das Angebot stieß bei den Teilnehmerinnen und Teilnehmern auf freudigen Zuspruch.
Zur „Wallfahrtstunde“ begrüßte dann Pfarrer Harry Karcz die Gläubigen in der katholischen Pfarrkirche St. Bonifatius. Hier fand das statt, was die KirchenZeitung im Hinweis auf die Bergener Marienwallfahrt als „Initialzündung“ für das Diözesane Pastoralforum genannt hatte. Der Leiter des Erzbischöflichen Seelsorgeamtes, Pfarrer Martin Pietsch, betonte gegenüber der KirchenZeitung die Bedeutung des Geschehens. „Wir alle sind eingeladen, Antworten auf wichtige Frage zu finden“, sagte Pietsch. Das Diözesane Pastoralforum bezeichnete er als Weg, den zu beschreiten alle Katholiken im Erzbistum Berlin eingeladen sind. Was ist wichtig in unserem Leben als Christen? Wie geht es mit unseren Jugendgruppen weiter? Was wird aus unseren Pfarreien, wenn wir immer weniger oder keine Priester mehr haben? Wie ist das Verhältnis zwischen haupt- und nebenamtlichen Mitarbeitern in unseren Gemeinden und im ganzen Erzbistum? Das waren nur einige illustrierenden Fragen, die der Seelsorgeamtsleiter als mögliche Diskussionsfelder in der ersten Phase des Forums benannte. Stichtag für diese Etappe sei der 31. Dezember 1998, so Pietsch. Bis zu diesem Datum solle der Dialog in den Gemeinden geführt, sollten Fragen gestellt und erste Antworten gefunden werden. Um rege Beteiligung innerhalb der Dekanate Stralsund und Greifswald warb der Seelsorgeamtsleiter.
Drei Kerzen mit dem offiziellen Logo des Pastoralforums und der darin eingebundenen Aufschrift „ …damit sie das Leben haben“, eine für die Pfarreien in Vorpommern, eine für die Gemeinden Brandenburgs und eine für die Gemeinden Berlins wurden in St. Bonifatius vorgestellt und während der Abschlußandacht entzündet. „Es wäre schön, wenn diese drei Kerzen einen Weg durch unser Bistum nehmen würden“, sagte Pietsch. Und er forderte die Gläubigen auf: „Zünden Sie die Kerzen an.“ Dann fügte er hinzu: „Es wäre schön, wenn die Kerze für das Land Brandenburg am kommenden Samstag zur Diakonatsweihe in der Stadt Brandenburg entzündet werden würde.“ „Bitte begleiten Sie den Prozeß des Forums auch im fürbittenden Gebet“, bat der Geistliche. Alle Christen hätten zur Taufe eine Kerze mit den Worten empfangen: „Empfangt das Licht Christi.“ Wie in der Osternacht das Licht von einem auf den anderen übergehe, so möge der Funke von einem auf den anderen überspringen im Prozeß des Diözesanen Pastoralforums. Das wünschte Pietsch von Bergen aus allen Wallfahrerinnen und Wallfahrer sowie allen Gläubigen im Berliner Erzbistum.
Weihbischof Wolfgang Weider brachte bei dieser Gelegenheit seine Hoffnung zum Ausdruck, daß das Pastoralforum auch eine Außenwirkung haben möge. Er stieß die Überlegung an: „Wie wirken wir als katholische Christen missionarisch in unserer unmittelbaren Umwelt?“ 
Je eine Arbeitsgruppe zu den Bereichen „Liturgie“, „Zeugnis“ und „Caritas“ werden beispielsweise die Mitglieder der Stralsunder Gemeinde Heilige Dreifaltigkeit einrichten, um ihre konkreten Anliegen in das Pastoralforum einzubringen. Darüber informierte Pfarrer Reinhold Reinhold Janiszewski während der Wallfahrtsstunde. Sein Mitbruder im priesterlichen Amt, Pfarrer Norbert Müller aus Altentreptow regte an, im Rahmen des Forums auch über die KirchenZeitung zu diskutieren sowie Lob und Tadel direkt an die Redaktion und die Verantwortlichen im Erzbischöflichen Ordinariat zu richten. „Denn uns allen“, betonte Pfarrer Müller, „liegt auch in Zukunft viel an unserer KirchenZeitung.“

Thomas Steierhoffer
 Nr. 37/98 vom 13. September 1998