Beten und feiern gehören hier zusammen

Gemeinde St. Josef in Berlin-Köpenick feiert mit Festwoche das 100jährige Bestehen ihrer Kirche

Berlin -
„Eine lebendige Gemeinde zeigt sich nicht nur im Beten, sondern auch im Feiern!“ - Gemeindereferentin Christa Scholz bringt es auf den Punkt. In der Tat weiß die Pfarrei St. Josef im Berliner Stadtbezirk Köpenick ihr Gemeindeleben nach diesem Motto in guter Mischung zu gestalten und gibt damit einen überzeugenden Beweis ihrer Lebendigkeit. Gab es zum Beispiel vor drei Jahren das hundertjährige Jubiläum der Erhebung der Gemeinde zur selbständigen Pfarrei zu feiern, so galt es in diesem Jahr an das hundertjährige Bestehen der Kirche an der Lindenstraße zu erinnern. Da der eigentliche Festtag unmittelbar vor der Karwoche lag, hatte sich der Pfarrgemeinderat dafür entschieden, das Jubiläum in zwei Etappen zu begehen: Bereits am 25. März feierte man in St. Josef aus diesem Anlaß einen Festgottesdienst. In diesem Gottesdienst wurde eine liebevoll gestaltete Ausstellung über die 100jährige Geschichte der Kirche eröffnet, die auch jetzt noch zu besichtigen ist (Besucher können sich jederzeit im Pfarrbüro, beziehungsweise im Pfarrhaus wegen einer Besichtigung melden).
Vom 29. Mai bis 6. Juni gibt es zudem eine eigene Festwoche (siehe Kasten mit ausführlichem Programm). Innerhalb dieser Festwoche erinnert sich die Gemeinde der Konsekration des Altares durch Kardinal Sterzinsky am 4. Juni 1994.
Durch die umfangreichen Sanierungsmaßnahmen des Gotteshauses in den Jahren 1992-1994 setzte sich die Gemeinde, die seit 1983 von Pfarrer Franz Scholz geleitet wird, verstärkt mit der Baugeschichte der Kirche auseinander. Das gestalterische Ziel der Baumaßnahmen war nämlich, den Innenraum der Kirche wieder möglichst nahe an sein ursprüngliches Aussehen heranzuführen.
Noch heute ist es erstaunlich, in welch kurzer Zeit der Bau der Kirche ausgeführt wurde. Am 4. Oktober 1897 begann auf einer ehemals schlammigen Halbinsel, dort wo sich die Müggel-spree und die Dahme vereinigen, das Einbringen von 435 Holzpfählen als Basis für das Fundament der Kirche. Am 8. Mai 1898 fand die feierliche Grundsteinlegung statt und bereits am 25. März 1899 konnte Propst Neuber von St. Hedwig die Kirche benedizieren. Den Entwurf für die Kirche im neugotischen Stil hatte der Architekt Paul Franke erstellt. Noch während der Planungsarbeiten zeigte sich, daß die Gemeinde erheb-lich schneller anwuchs, so daß vor Baubeginn eine Erweiterung der Kirche um eine Achse notwendig erschien.
Nachdem dafür die behördliche Genehmigung erteilt war, konnte mit dem Bau begonnen werden. Es entstand ein schlichter, würdiger Bau, der sich nicht nur den Bautraditionen der Zisterzienser verpflichtet wußte, sondern auch der Schlichtheit der Landschaft entsprach. Selbst die süddeutschen Schnitzaltäre paßten sich dem Raum an. Leider hat der Holzwurm dafür gesorgt, daß heute nur noch die Apostelfigur St. Petrus und St. Paulus aus dem Hochaltar erhalten geblieben sind.
Im Laufe der Geschichte wurde die Kirche neuen technischen Möglichkeiten jeweils angepaßt. Schon bald nach der Fertigstellung des Gotteshauses wurde die Gasbeleuchtung durch die Elektrifizierung abgelöst. Im zweiten Weltkrieg blieb auch unsere Kirche nicht verschont. 1943 mußte der Weihnachtsgottesdienst mit Schnee auf dem Altar gefeiert werden. Daran können sich nicht nur Gemeindeglieder erinnern. Ein ehemaliger holländischer Zwangsarbeiter, der vor einigen Monaten zu Be-such war, erzählte ebenfalls davon.
Besonders einschneidend in der Baugeschichte war die baupolizeiliche Auflage, den Turmhelm wegen starken Wurmbefalls abzutragen, da zum damaligen Zeitpunkt eine Reparatur nicht möglich war. So präsentiert sich die Kirche seit 1974 mit einem kleinen Satteldach als Turmabschluß. Damit ist die katholische Kirche Köpenicks optisch aus dem Stadtbild verschwunden, da im Lauf der Jahre die Linden vor der Kirche so groß geworden sind, daß sie mit ihrer Blattfülle die Sicht auf die Kirche fast gänzlich verdecken. Der Kirchbauförderverein wird diesen Zustand sicher im Auge behalten und auf Abhilfe sinnen.
Mit den Baumaßnahmen 1992-1994 ging auch eine Neugestaltung des Innenraums Hand in Hand. Der Architekt Martin Stachat leitete mit großem fachlichen Können und Einfühlungsvermögen die Arbeiten, daß das Gebäude und der Innenraum ein würdiges Aussehen gefunden haben. Alle gestalteten Teile der Kirche sind Entwurfsarbeiten Martin Stachats. Er ist nicht nur Architekt sondern auch Künstler. Moderne Gestaltung und alter Bau sind in guten Einklang gebracht. Darüber kann sich jeder selbst ein Bild machen, der das Gotteshaus besucht. Geschäftig werkelten in der Vorwoche des Festes noch die Handwerker auf dem Kirchplatz, denn zum Fest soll ja alles fertig sein. So wie die neue Broschüre, die mit Ansichten der Kirche, beschreibenden Texten und Meditationen das Gotteshaus und seine mittlerweile 100jährige Geschichte vorstellt.
So groß auch die Freude über die traditionsreiche St. Josef-Kirche ist, Pfarrer Scholz erinnert zu Recht daran, daß Kirchengebäude nicht Selbstzweck sind, sondern ihre Entsprechung in einer lebendigen Gemeinde brauchen. Die Lebendigkeit einer Gemeinde erweist sich nach wie vor im Glaubenszeugnis (Martyrium), im Gotteslob (Liturgie) und im Dienst für den Nächsten (Diakonie). Pfarrer Scholz: „ Nicht aus uns selbst können wir uns die Lebendigkeit erhalten oder sie wiedergewinnen. Wir sind dabei auf das Vertrauen angewiesen, daß der Heilige Geist uns belebt und uns weiterführt.“
St. Josef ist eine lebendige Gemeinde, die sich sehen lassen kann. Es ist viel los in Köpenick: Pfarrer, Gemeindereferentin, Pastoralreferent Rolf Nehrlich sowie Gemeindepraktikantin Sabine Seufert können sich als Ansprechpartner über Beschäftigungsmangel nicht beklagen. So gibt es neben den Ministranten eine relativ große Jugendgruppe, die auch Gottesdienste gestaltet, eine Jugendschola, den Caritashelferkreis, eine bald 50 Jahre alte aktive Kolpingsfamilie, den 1984 gegründeten Kirchenchor, eine nach der Wende gegründete KFD-Gruppe und nicht zuletzt die KAB-Gruppe, die sich bemüht, an die alte Arbeitertradition im Bezirk Köpenick anzuknüpfen.
Was hat sich nach der Wende geändert, was ist geblieben in der Gemeindearbeit? Pfarrer Scholz muß nicht lange überlegen: „Für die alte Ortsgemeinde hat die Möglichkeit zu verreisen, schon Veränderungen gebracht. Es ist mehr Bewegung zu spüren.“ Die neue Mo-bilität wird sich seiner Meinung nach aber auch im verstärkten touristischen Besuch Köpenicks auswirken, wenn die Hotels erst alle fertig sind. Mit einem Informationsprospekt wird sich St. Josef an den Rezeptionen dort präsentieren und die Gäste nicht nur informieren, sondern auch zum Besuch der Kirche einladen.
„Präsenz der Kirche vor Ort“ heißt die Devise von Pfarrer Scholz und seinen Mitarbeitern. Nicht erst warten , bis jemand kommt, sondern selbst die Initiative ergreifen, als Kirche mitreden, mitmachen, mitgestalten. Sei es im Jugendhilfeausschuß der Bezirksversammlung, bei ABM-Maßnahmen, in der Kita, im ökumenischen Konvent, in den vier im Gemeindebereich liegenden Pflegeheimen der Diakonie, im Krankenhaus des DRK.
Auch wenn St. Josef keinen hohen Turm mehr hat, durch die Offenheit im pastoralen Konzept ist die Kirche dennoch ein Begriff im Bezirk. Fremden kann man erklären, wo sie liegt und daß in der Gemeinde etwas geschieht. Diese Aktivität, so wünscht sich Pfarrer Scholz für die Zukunft, möge in St. Josef erhalten bleiben und die Gemeinde weiter tragen. Schließlich, so verweist er auf die Geschichte, wurde die Kirche vor 100 Jahren ja auch aus Eigeninitiative der Gemeinde gegründet.

Werner Kerkloh
(C) by Werner Kerkloh

Nr. 21/98 vom 30. Mai 1999