Impulse kommen aus der Arbeit mit Kindern

Katholische Pfarrgemeinde in Weißensee feiert 100 Jahre St. Josef
Berlin - 1999 ist im Erzbistum Berlin ein Jahr, in dem sich die Jubiläen häufen. In der vergangenen Woche berichtete die KirchenZeitung an dieser Stelle über das 100jährige Jubiläum der Pfarrkirche St. Josef in Berlin-Köpenick. 1899 war offenbar das Jahr des heiligen Josef. Denn heute steht wieder eine St.-Josefs-Kirche im Mittelpunkt des Interesses. St. Josef in Berlin-Weißensee. Am 4. Juni 1899 wurde das Gotteshaus, das heute direkt an die Katholische Theresienschule grenzt (oder umgekehrt) feierlich geweiht.
„Für hiesige Verhältnisse sind wir eine sehr junge Gemeinde“, freut sich Pfarrer Peter Roske. Allein 1999 seien in einem Jahrgang 23 Kinder zur Erstkommunion gegangen. Während draußen bereits die Vorbereitungen zum großen Fest laufen, informiert Pfarrer Roske in seiner Wohnung über die 100jährige Geschichte der Gemeinde St. Josef, die sich vormals „St. Joseph“ schrieb. Der Bezirk Weißensee ziehe mehr und mehr junge Familien an, so der Pfarrer. Als Seelsorger registriere er auch Zuzüge aus den alten Bundesländern. „Weißensee ist ein grüner Bezirk, hier lebt es sich sehr gut“, unterstreicht Roske. Einmal im Monat findet in St. Josef ein Kleinkindgottesdienst statt, bei dem die Kirche buchstäblich aus allen Nähten platzt. Vorbereitet wird er regelmäßig von Gemeindemitgliedern und den jungen Familien selbst. Der Trend, daß junge katholische Familien nach Weißensee ziehen, findet hier seinen nachhaltigen Ausdruck.
Es ist an erster Stelle die Arbeit mit den Kindern, die nach Roskes Informationen deutliche Impulse in die Gemeinde hinein gibt. Als unbestrittenen Höhepunkt dieser Kinderarbeit nennt der Pfarrer die Religiöse Kinderwoche (RKW), die in St. Josef eine gute Tradition hat. Immer in den Herbstferien machen sich die Kinder auf den Weg. Sie werden begleitet von zahlreichen jugendlichen Helfern, die vor Jahren ebenfalls erste gute Erfahrungen während der RKW sammeln durften. „In St. Josef, einer der großen Berliner Gemeinden, gibt es eine lange Tradition lebendigen Gemeindelebens“, stellt Pfarrer Roske nicht ohne Stolz fest. Schließlich ist es sein dringendes Anliegen, Gemeindeleben aus eigenen Impulsen wachsen zu sehen und gedeihen zu lassen. Auch mit Blick auf kommende Jahre und Jahrzehnte, in denen es vielleicht nicht mehr genügend Priester gibt. „Erste Ansätze dieser kommenden Zeit erleben wir bereits heute.“ Nach Roskes Worten müsse Seelsorge heute primär danach fragen, was Gemeinde in der modernen Zeit wirklich am nötigsten braucht. Es gehe darum, den Menschen Hoffnung und Offenheit zu vermitteln. Keinesfalls dürfe ein Pfarrer seiner Gemeinde „Ängste einpredigen“, sagt Roske. „Alle Dinge, die die Menschen bewegen, müssen angesprochen werden.“ Als Seelsorger steht er nach eigenen Angaben für eine „innerkirchlich kritische und offene Arbeit“. Und zwar auf allen Ebenen. Mit Rückblick auf viele Jahre seines priesterlichen Lebens, unter anderem war Roske Jugendseelsorger im Ostteil des Bistums, beschreibt er sein persönliches Auftreten so: „Ich bin meinen Bischöfen immer mit furchtloser Offenheit begegnet.“ Und in Bezug auf seine Gemeinde stellt er fest: „Jeder, der möchte, kann sich bei uns mit seinen Fähigkeiten und Talenten einbringen.“ Der Möglichkeiten gibt es in St. Josef viele. Da sind zum Beispiel die Kirchenmusiker. Die Kirche verfügt über eine ausgezeichnete Orgel, der von Kirchenmusiker Joachim Thoms während der Liturgie und in Konzerten einzigartige Töne entlockt werden. In St. Josef gibt es einen sehr aktiven Kirchenchor, eine Männerschola, den Kinderchor und verschiedene Jugendchorprojekte. Sangesfreudige Damen und Herren, Kinder und Jugendliche können sich hier also nahezu grenzenlos betätigen.
Ohne seine Kindertagesstätte ist St. Josef wohl nicht mehr zu denken. Sie existiert nun auch schon 96 Jahre und erfreut sich großer Beliebtheit. Das läßt sich leicht an den Anmeldungszahlen ablesen. Als „Heimvorteil“ bezeichnet Pfarrer Roske auch die unmittelbare Nachbarschaft zur Katholischen Theresienschule. Zu Lehrern, Schülern und Eltern unterhält der 63jährige gute Beziehungen. Einmal in der Woche feiert Roske mit den Theresianern einen Schulgottesdienst, der jeweils von einer anderen Klasse des Gymnasiums vorbereitet wird.
Momentan geben sich die Fachleute vom Erzbischöflichen Bauamt und die Handwerker in St. Josef die Klinke in die Hand. Pfarrer Roske hofft, daß die dringend notwendige Dachsanierung des Gotteshauses in seinem Jubiläumsjahr realisiert werden kann. Im vergangenen Herbst sei es wegen des „desolaten Zustands zu schlimmen Wasserschäden gekommen“. 200.000 bis 300.000 Mark sollen die Baumaßnahmen kosten. Als weitere, in naher Zukunft dringend notwendige Projekte bezeichnet Roske den Umbau der Gemeinderäume, die Restaurierung der stark vom Rost angegriffenen Kirchenfenster-Fassungen sowie den Umbau des Pfarrhofes.
Zur Geschichte einer aus dem Leben des Erzbistums Berlin nicht wegzudenkenden Gemeinde ist eine ansehnliche Festschrift erschienen. Hier finden Interessierte zahlreiche Informationen und Fotos aus 100 Jahren Gemeindeleben in Weißensee. Besonders bemerkenswert ist der einführende historische Beitrag von Dr. Jan Feustel. Er läßt die Entwicklung von St. Josef für Leser von heute revuepassieren. Und er liefert Details aus architektonischer und künstlerischer Sicht. Die Festschrift „St. Josef in Berlin-Weissensee, 100 Jahre Katholische Pfarrkirche“ kann während des Festes an diesem Sonntag (6. Juni) noch zum Preis von 12 Mark erworben werden. Nach den Feierlichkeiten wird die von vielen Gemeindemitgliedern liebevoll gestaltete Broschüre 16 Mark kosten.

Thomas Steierhoffer
(C) by Thomas Steierhoffer
Nr. 22/99 vom 6. Juni 1999