Der Alte geht, der Neue fehlt (noch)

Nach drei Jahren verlässt Pfarrer Uwe Wulsche den Posten des Berliner BDKJ-Präses.
Die KirchenZeitung sprach mit ihm über die Gründe. Wir werfen den Blick auf Vergangenes und fragen nach,
wie Jugendarbeit im Erzbistum weitergeht

Berlin - Während der Diözesanversammlung des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) Ende Oktober 1996 wurde Pfarrer Uwe Wulsche zum Präses des Berliner BDKJ gewählt. Der Vorstand hatte ihn gebeten, für dieses Amt zu kandidieren, und Wulsche hatte angenommen. Nach dreijähriger Amtszeit zieht er sich aus der organisierten Jugendarbeit zurück. Die KirchenZeitung sprach mit ihm im Vorfeld der BDKJ-Diözesanversammlung am 30. und 31. Oktober 1999.

Frage: Pfarrer Wulsche, wo liegen die Gründe für Ihre Entscheidung, nicht erneut zu kandidieren?
Wulsche: Ich muss einfach sagen, dass diese Arbeit meine Kräfte überfordert. Ich hatte damals eine Aufgabe übernommen, die nach Absprache mit dem Bischof den Arbeitsaufwand von einem Tag pro Woche ausmachen sollte. Schnell habe ich dann gemerkt, dass die Arbeit unter dieser Zeitvorgabe nicht zu leisten war. Sie fordert nach meinen Erfahrungen mindestens eine halbe Stelle. Das ist der eine Grund. Zweitens muss ich sagen, dass mir die Funktion eines mehr oder weniger Verwaltenden auf Dauer nicht besonders zusagt. Ich bin viel lieber direkt und hautnah an den Menschen dran.
Frage: In BDKJ-Kreisen kursiert das Gerücht, es werde auf absehbare Zeit keinen Nachfolger im Amt des Präses geben. Was ist an diesem Gerücht dran?
Wulsche: Wir haben zur Diözesanversammlung tatsächlich keinen Kandidaten für das Amt des Präses. Im Vorstand und mit den Referenten des BDKJ haben wir sehr lange überlegt, wen wir ansprechen und bitten könnten. Doch im Moment ist das Reservoir an Mitbrüdern, die jung genug und engagiert genug sind und außerdem über die nötige Zeit verfügen können, einfach nicht vorhanden.
Frage: Ist die Bistumsleitung über die Situation informiert? Wenn ja, wie steht sie zu dem Problem?
Wulsche: Die Bistumsleitung ist selbstverständlich informiert. Ich habe dem Bischof geschrieben. Wie die Bistumsleitung dazu steht, kann ich im Moment noch nicht sagen. Der neue Vorstand wird sich ganz sicher mit dem Bischof zusammensetzen und hoffentlich eine Lösung finden, wie die geistliche Leitung innerhalb des Berliner BDKJ in Zukunft aussehen kann.
Frage: Wie hat sich Jugendarbeit in den letzten drei Jahren entwickelt. Was zeichnet katholische Jugendarbeit aus?
Wulsche: Katholische Jugendarbeit ist immer im Fluss, auch über die nächsten 500 Jahre. Es ist viel Bewegung drin. Der Schwerpunkt des BDKJ ist der, dafür einzutreten, dass Jugendarbeit eine selbstverantwortete, selbstbestimmte Jugendarbeit ist. Es geht darum, Jugendliche zu befähigen, Verantwortung zu übernehmen für die Dinge, die sie tun und natürlich auch innerhalb der Kirche. Bei allen Bemühungen geht es darum, eine größere Mündigkeit junger Christen innerhalb der Kirche zu erreichen, verbunden mit der Motivation, sich in die Kirche aktiv einzubringen. Ich bin davon überzeugt, dass die Arbeit, die der BDKJ mit den jungen Christen leistet, eine riesige Chance für unsere Kirche ist.
In Berlin haben wir, und ich bedaure das sehr, nach wie vor die Schwierigkeiten mit Ost und West. Die Jugendverbände können sich kaum im Osten etablieren, weil offenbar solche Verbandsstrukturen nicht nötig zu sein scheinen. Ich möchte an dieser Stelle daran erinnern, dass schon die Würzburger Synode selbstverantwortete, selbstbestimmte Jugendarbeit als zukunftsfähige Jugendarbeit herausstellt.
Frage: Wer macht die Probleme?
Wulsche: In der DDR haben wir eine ziemliche Einheitskirche gelebt. Das muss man einfach mal sagen dürfen. In dieser Einheitskirche war Pluralität nicht so richtig zugelassen. Und das ist für mich ein Grund, warum wir heute in Sachen Jugendverbandsarbeit Probleme haben. Heute ist es so, dass viele junge Leute an einem Spaß-Faktor orientiert sind. Viele haben einfach keine Lust, sich in strukturelle Geflechte zu begeben, weil es einfach furchtbar anstrengend sein kann. Ich glaube, wir müssen heute das Ehrenamt anders bewerten als das vor Jahrzehnten geschehen ist. Heute muss ehrenamtliches Engagement zeitlich deutlich abgegrenzt sein. Ehrenamtliche Arbeit ist heute keine Beziehung mehr, die man auf ewig eingeht. Wenn die Arbeit keinen Spaß macht, steigen die Leute aus. Und das Engagement muss heute vermutlich mehr denn je gewürdigt werden. Mit einer Ehrennadel kann man heute keinen Blumentopf mehr gewinnen.
Frage: Wie sieht die Zusammenarbeit zwischen BDKJ und Erzbischöflichem Amt für Jugendseelsorge (EAJ) aus?
Wulsche: Es gibt einen ordentlichen Kooperationsvertrag zwischen dem EAJ und dem BDKJ. Darin werden die Positionen klar definiert. Wir vom BDKJ haben sehr viel mit der politischen Vertretung nach außen zu tun. Zum Beispiel im Landesjugendring oder in den Jugendringen der einzelnen Bezirke. Nur so ist es möglich, katholische Jugendarbeit gerade in staatlichen Gremien spürbar und erfahrbar werden zu lassen. Die Zusammenarbeit zwischen EAJ und BDKJ würde ich als gut und fruchtbar bezeichnen. Das spürt man konkret beim Pastoralforum, bei den Bistumsjugendtagen oder bei den Stadtjugendmessen. Doch ist es mitunter noch immer schwer, die Rolle des BDKJ klar zu machen. Nach östlichem Denkmuster gab es immer ein Jugendamt, und der BDKJ war über viele Jahre einfach nicht da. Heute ist die Jugendarbeit aber deutlich politischer geworden und geht viel stärker in den gesellschaftlichen Bereich hinein. Und dieser Realität müssen wir uns alle zwingend stellen.
Frage: Wenn Sie Bischof von Berlin wären, wie würden Sie Jugendarbeit im Erzbistum gestalten?
Wulsche: Wenn ich Bischof von Berlin wäre, würde ich ganz häufig den Dialog mit den Jugendlichen suchen. Jugendarbeit wäre einer meiner pastoralen Schwerpunkte. Nicht nur weil Jugendliche die Zukunft der Kirche sind. Sondern weil ich denke, dass gerade junge Menschen bei ihrer Suche nach Lebenszielen wahrscheinlich mehr Hilfe brauchen als die Erwachsenen, die eher sicher auf ihren Beinen stehen.
Wenn ich Bischof von Berlin wäre, würde ich das Loch in der Kathedrale zuschütten, um eine wirkliche Feier des Gottesdienstes zu ermöglichen. Egal wo man in der Bischofskirche sitzt, guckt man immer auf dieses Loch und nicht auf den Altar. Ich glaube, wir feiern nicht Eucharistie um ein Loch herum, sondern um den lebendigen Herrn.
Wenn ich Bischof von Berlin wäre, würde ich verstärkt auf die Jugendarbeit in unseren Häusern achten. Ich glaube, Alt-Buchhorst wird längst nicht so genutzt, wie es als katholisches Jugendhaus genutzt werden könnte. Und ich würde es als Bischof von Berlin sogar wagen, eine Jugendgemeinde in der Stadt auf den Weg zu bringen. Hier sollten gerade die beheimatet werden, die nach ihrer eigentlichen Jugendzeit pastoral häufig abstürzen. Vielleicht könnte die Gemeinde so funktionieren, wie die Studentengemeinde funktioniert. Mit sehr viel Kommunikation, Offenheit und Kompetenz.
Frage: Was sind Ihre nächsten Aufgaben?
Wulsche: Die nächsten Aufgaben sind die alten Aufgaben. Ich bin nach wie vor ernannt für die Arbeit im St. Hedwig Krankenhaus, ich bin nach wie vor in der Behindertenarbeit engagiert und in der Arbeit beim Malteser Hilfsdienst. Ich denke, das ist eine recht ausreichende Dosis. Da ist eine Menge Arbeit liegengeblieben, die es jetzt aufzuholen gilt.

Interview: Thomas Steierhoffer

Nr. 44/99 vom 7. November 1999
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