Bald jeden Tag eine neue Situation
KirchenZeitung sprach mit Caritasdirektor Franz-Heinrich Fischler über Berliner Krankenhausdebatte

Frage: Berliner Tageszeitungen meldeten in der letzten Woche, es sei eine „senatsinterne Vorentscheidung“ gefallen, die Krankenhäuser St. Gertrauden und St. Hedwig nicht komplett zu schließen. Ist damit die Gefahr gebannt?
Fischler: Seit Beginn des Jahres 1999 gibt es ein Thema, mit dem ich mich nahezu ausschließlich zu befassen habe, das ist der Erhalt der katholischen Krankenhäuser im Land Berlin. Seit dem 5. Januar hat es bisher an jedem Tag dieses Jahres eine neue Ausgangslage gegeben. Das betrifft auch die Krankenhäuser St. Gertrauden und St. Hedwig, die mal in ihrem Bestand als gesichert gemeldet werden und die mal in ihrem Bestand als verkürzt gemeldet werden und wieder ein andermal in der Planung überhaupt nicht mehr auftauchen. Diese Meldungen entnehmen wir jeweils den unterschiedlichen Berliner Tageszeitungen. Eine verbindliche schriftliche Äußerung, etwa der Gesundheitsverwaltung zu den hier angeschnittenen Fragen, existiert bisher nicht. Das heißt die Gefahr für die Häuser St. Gertrauden und St. Hedwig ist nicht gebannt, und eine Aussage, die den Bestand des Malteserkrankenhauses sichert, fehlt völlig, so daß auch dort die Exisenzgefahr weiterhin besteht.

Frage: Hat denn wohl auch die Demonstration der Katholiken für ihre Krankenhäuser eine solche Entscheidung des Senats hervorgerufen?
Fischler: Eine ganze Reihe von Mandatsträgern haben uns wissen lassen, daß wir uns mit unserer Demonstration einen schlechten Dienst erwiesen hätten, weil es ja nicht so sein könne, daß die, die am lautesten demonstrieren, am ehesten von der Streichliste verschwinden. Dann hat es wiederum andere Mandatsträger gegeben, die uns, etwas leiser im Tonfall, gratuliert haben, daß wir so einig, geschlossen und massiv reagiert haben, weil uns ja gar nichts anderes übrig bliebe. Der letzten Interpretation schließe ich mich an. Ich glaube, daß die Reaktion, wie wir sie zeigen, eine reine Notwehrreaktion darstellt, und daß, gemessen an der Existenzgefährdung, die von uns gewählten Töne als geradezu moderat bezeichnet werden können. Ob diese Demonstration der Zuneigung, Wertschätzung und des Erhaltungswillens für unsere katholischen Krankenhäuser in Berlin den Senat beeindrucken, muß sich erst noch zeigen, denn eine Entscheidung in der Sache ist uns bis dato nicht bekannt geworden.

Frage: Bei dem ganzen Streit um die Sache wurde ja doch auch ein akuter Kommunikationsmangel unter den Beteiligten deutlich. Gab es denn wenigstens jetzt konstruktive Gespräche mit der Senatorin?
Fischler: Es ist richtig, daß die Entscheidung der Senatorin, wie die zukünftige Krankenhausplanung im Land Berlin aussehen könnte, über das Instrument einer Pressekonferenz nicht nur der Öffentlichkeit, sondern auch den Betroffenen mitgeteilt worden ist. Erst danach hat es Gespräche sowohl mit einzelnen Trägern als auch dem Trägerverband gegeben. Ob man diese Gespräche als konstruktiv verwerten kann, hängt sicherlich vom Standpunkt des Betrachters ab. Unter konstruktiv verstehe ich, daß man sich unserer Argumente annimmt. Dies ist bisher nicht ausreichend geschehen.

Frage: Es werden von allen Opfer gefordert. Welches Opfer können also katholische Krankenhäuser bringen?
Fischler: Die Gruppe der katholischen Krankenhäuser im Land Berlin ist die einzige relevante Krankenhausträgergruppe, die sich auch bisher schon immer gesprächsfähig und kompromißbereit gezeigt hat. Im Zuge dieser Kompromißbereitschaft haben wir bereits vor den aktuell zur Debatte stehenden Planungen erheblich zu Einsparmaßnahmen im Bereich der stationären Gesundheitspflege, also im Krankenhausbereich, beigetragen. Ich will daran erinnern, daß wir die Standorte St. Christopherus-Krankenhaus in Lichtenrade, St. Hildegard-Krankenhaus in Charlottenburg, St. Marien-Krankenhaus in Kreuzberg und St. Joseph-Krankenhaus in Mitte aufgegeben haben. Darüber hinaus können wir uns vorstellen, daß wir das St. Antonius-Krankenhaus in Friedrichshagen und den Standort Galenus der Caritas-Kliniken in Pankow nicht mehr offensiv verteidigen und somit einen weiteren zählbaren Beitrag zu den notwenigen Sparmaßnahmen erbringen. Unsere Vorleistungen scheinen mir bei der Gesundheitsverwaltung als besondere Nachgiebigkeit verstanden worden sein. Dies wäre jedoch eine verhängnisvolle Mißinterpretation der bei den katholischen Trägern vorhandenen Auffassungen.

Frage: Sehen Sie in dem derzeitigen Vorgang eine grundsätzliche Linie, bei den kirchlichen und freien Trägern zu sparen? Sehen Sie Gefahr, daß morgen womöglich ein anderer Bereich dran ist?
Fischler: Um das Eigenschaftswort ‚grundsätzlich‘, das in Ihrer Fage steckt, aufzunehmen: Grundsätzlich gilt, daß die Schließung kommunal getragener Krankenhäuser nicht zu direkt zählbaren Einsparungen beim Land Berlin führt, da wegen der öffentlichen Erklärung keine betriebsbedingten Kündigungen in kommunalen Krankenhäusern vorzunehmen die dortigen Beschäftigten weiterhin vom Land Berlin zu bezahlen wären, auch wenn die Krankenhäuser geschlossen würden. Und ebenso gilt grundsätzlich, daß Beschäftigte, die bei katholischen Krankenhäusern aufgrund von Schließungen entlassen werden müßten, einer Kündigung entgegensehen. Die Erträge von Sparmaßnahmen sind also bei freigemeinnützigen Trägern eher zu erreichen, als an anderen Stellen. Der Verlust in das Vertrauen der Krankenhausplanung des Landes Berlin hat bei allen Trägern zu einer großflächigen Verunsicherung und zu einem Vertrauensschwund geführt. Dies hat auch unser Kardinal mehrfach öffentlich und im Gespräch mit verantwortlichen Politikern in dieser Stadt gesagt. Die Bedrohung anderer Standorte als der bisher in der öffentlichen Debatte befindlichen, kann daher nicht ausgeschlossen werden.

© by Lutz Nehk
Nr. 4/99 vom 31. Januar 1999