Jugend und Glaube

(Teil II)

In unserer letzten Ausgabe haben wir ein prägnantes Ergebnis der groß angelegten 13. Shell-Studie "Jugend 2000" vorgestellt: Jugend und Osterglaube. Das bedrückende Bild, dass nur noch knapp ein Drittel der deutschen Jugendlichen an ein Weiterleben nach dem Tod glaubt, ist eingebettet in eine allgemeine Abwärtsentwicklung: Nur noch ein Drittel betet, nur noch ein Sechstel geht zum Gottesdienst. Die Studie vermerkt: "Diese Niveauverschiebungen nach unten haben sich in einer Zeitspanne von nur anderthalb Jahrzehnten ergeben. Man wird sie als signifikant für die religiös-kulturelle Gestimmtheit der Jugend, für ihre Grundhaltungen zur Welt und zum Leben insgesamt ansehen müssen." Da die Religion in der Untersuchung einen breiten Raum einnimmt, scheint dieser Befund relativ gut gesichert zu sein. Im übrigen stimmt er ja weitgehend mit unserer Alltagserfahrung überein.

Unterhalb der Megatrends in der Jugend stand eine wichtige Frage zur Klärung an: "Hat die Zugehörigkeit zu einer (bzw. keiner) Religionsgemeinschaft eine Bedeutung für Handlungs- und Einstellungsbereiche außerhalb von Religion und Religionsgemeinschaft?" oder kurz: Was bringt der Glaube für das übrige Leben?

Aus der Fülle der Antworten hier einige überraschende und bemerkenswerte:

- Die muslimischen Jugendlichen haben den größten Anteil an der Gruppe derer, die täglich mehr als drei Stunden vor dem Fernseher verbringen, die Katholiken den kleinsten.

- Der Anteil derer, die sich gar nicht vorstellen können, einen Partner anderer Nationalität zu heiraten, ist bei den muslimischen und katholischen Jugendlichen klein, bei Altersgenossen ohne Konfession dagegen "recht groß".

- Diesem Bild entsprechen die Werte auf der Skala "Ausländerfeindlichkeit": Den höchsten Wert haben die Befragten ohne Konfessionszugehörigkeit, den niedrigsten die Katholiken, die, so die Einschätzung von Experten, von der weltkirchlich-universalen Ausrichtung und der weltumspannenden caritativen Arbeit der Kirche geprägt sind.

Man darf dieses Ergebnis nicht im Sinne eines "Sich-auf-die-Schulter-Klopfens" überbewerten, doch wäre es durchaus wünschenswert, wenn z.B. bestimmte Berliner Parteien es zur Kenntnis nähmen, die den konfessionellen Religionsunterricht immer wieder der staatlich verantworteten Werteerziehung in den Schulen abwertend hintansetzen, so zuletzt geschehen auf dem Landesparteitag der SPD im April 2001.

Auf vergleichbare Weise ist eine andere Auffälligkeit einzuordnen:

- Religiös Interessierte sind auch politisch aufgeweckter. Religiöse Bindung steigert offenbar politische Verantwortung. Möglicherweise sensibilisiert die Zugehörigkeit zu einer kirchlichen Jugendgruppe für das demokratische Engagement.

- Auch in manch anderer Hinsicht lässt sich festhalten, dass religiöse Jugendliche offener, optimistischer, sozial verantwortlicher sind: Sie zeigen sich "eher leistungs- als genussorientiert" und ziehen "einen langfristigen Nutzen" der kurzfristigen Bedürfnisbefriedigung vor.

Die jungen Christen sind eher bereit, eigene Kinder zu haben und wollen trotz hoher Flexibilität und Mobilität ihr Leben eher in stabilen Partnerbeziehungen führen.

- Das Christentum entwickelt sich immer mehr zu einer weiblich geprägten Religion; dies gilt für das Beten wie für den Gottesdienstbesuch. Der Bedeutungsverlust des Gottesdienstes als öffentlichkeitswirksame Angelegenheit treibt die Männer aus der Kirche, die als ein privatpersönlicher Andachtsraum mehr den Frauen zusagt. Hier zeigen sich im übrigen bei den Muslimen umgekehrte Verhältnisse. Dass religiöse Literatur vorwiegend von Frauen gelesen wird, passt ins Bild.

Wie steht es nun um den Rest, den "harten Kern", den die kirchlich gebundene Jugend bildet?

Es ist sicher nur eine kleine Minderheit, ca. sieben Prozent der Befragten, aber eine auffällig selbstbewusste. Hat dies mit Bildung zu tun? Unter den jungen Leuten orientieren sich die "Besser-Gebildeten" in höherem Maße am Glauben. Vielleicht fasziniert das Besondere: Nicht der Atheist ist der Exot, sondern der Christ. Dementsprechend sind es überwiegend Gymnasiasten, die die kirchliche Jugendarbeit tragen.

Was heißt dies für die Zukunft des Glaubens? Kann allein eine weiblich dominierte Bildungselite in Europa den Glauben erneuern und dann wieder in die breiten Volksschichten zurücktragen? Andere Perspektiven sind nach der Shell-Studie schwer erkennbar.

J. Schweier


 

  

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